Hin zur translationalen Forschung

Komplexe Krankheitsbilder zu erforschen, erfordert Zusammenarbeit über Departemente und Institutionen hinweg.

Neue Chancen

Die moderne medizinische Forschung ist komplex. Viele Forschungsgruppen arbeiten gleichzeitig an der Beantwortung klinischer Fragestellungen zu ein und demselben Krankheitsbild – oft mit mehr oder weniger Austausch und Absprache untereinander. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Effizienz und Relevanz der medizinischen Forschung und es eröffnen sich neue Möglichkeiten durch den Zugang zu grossen Datenmengen.

Das Potenzial von Daten, die in der klinischen Routine anfallen, oder auch von Daten aus bereits durchgeführten klinischen Interentions-, Beobachtungs- und Registerstudien ist gross. Wenn sie für Forschende zugänglich und verwertbar gemacht werden, können sie einen entscheidenden Beitrag zur Beantwortung klinisch relevanter Fragestellungen leisten.

Regulatorische Sonderstellung

Gesundheitsbezogene Daten von Personen und biologisches Humanmaterial, egal ob sie aus der Gesundheitsversorgung oder aus der Forschung stammen, gelten als sensitiv und sind daher besonders schützenswert. Ihre Nutzung für die Forschung unterliegt in den allermeisten Fällen dem Humanforschungsgesetz und damit besonderen regulatorischen Bestimmungen. Das Departement Klinische Forschung (DKF) steht bereits heute Forschenden aller Departemente für Fragen zur Regulatorik und Data Governance translationaler Forschungsprojekte offen.

Solche departementsübergreifende Services spielen zunehmend eine entscheidende Rolle in diesen Forschungsanstrengungen, da der Datenaustausch über Institutionen und Organisationen hinweg geregelt werden muss. So bilden beispielsweise ein in den Spitälern als «Forschungskonsent» umgesetzter generalisierter Einwilligungsprozess, eine gelebte Open Access Policy, und regulatorische Klarheit zu KI gestützten Prozessen den operativen Rahmen. Zusammenarbeit zwischen den Departementen bedeutet auch, dass die vorhandene Expertise von möglichst vielen Forschenden genutzt werden kann und dass alle zukünftigen Forschungsprojekte vom wachsenden Erfahrungsschatz der Regulatorik-Expertinnen und -Experten am DKF profitieren können.

Klinische Routinedaten und vorhandene Forschungsdaten können einen entscheidenden Beitrag zur translationalen Forschung leisten, wenn sie für Forschende zugänglich und verwertbar gemacht werden.

Departementsübergreifende Infrastrukturen für translationale Forschung:

Graphik_translationale_Forschung

Translationale akademische Forschung involviert alle Departemente der Medizinischen Fakultät und basiert neben Daten aus klinischen Studien immer mehr auf vorhandenen gesundheitsbezogenen Personendaten und Humanproben.

Das DKF steht Forschenden aller Departemente für Fragen der translationalen Regulatorik offen. In ähnlicher Weise bietet die Abteilung ICT am USB translationale IT-Services zur Herausgabe von Daten für Forschungszwecke. Eine zentrale Biobanking-Infrastruktur für das USB befindet sich im Aufbau.

Translationale IT

  • Zusammenführung von Daten aus den spitalinternen Primärsystemen
  • Datenaufbereitung entsprechend Anfragen
  • Gesicherte Heraus- und Weitergabe von Datenpaketen

Translationale Regulatorik

  • Abklärungen zur Handhabung von personenbezogenen Daten und Proben
  • Sicherstellung des Datenschutzes; Pseudonymisierung/Anonymisierung
  • Einwilligungen (Forschungskonsent)
  • Bewilligungen und Genehmigungen
  • Einhaltung der Prozesse zur Herausgabe und Nutzung von vorhandenen Daten und Proben (Open-Access)

Zentrales Biobanking

  • Aufbau einer zentralen Infrastruktur für die sicheren Lagerung von Bioproben jeder Art
  • Biobankbetrieb und -administration
  • Herausgabe von Proben entsprechend Anfragen

Spitalinfrastrukturen als Basis

In gleicher Weise soll translationale Forschung von institutionellen Infrastrukturen profitieren können, auf die von allen Departementen her zugegriffen werden kann. So werden beispielsweise im Data Warehouse des Universitätsspitals Basel (USB) Gesundheitsdaten aus den klinischen Primärsystemen zusammengeführt und nach Bereinigung, Konsistenzprüfung und Pseudonymisierung an Forschende auf deren Anfrage hin abgegeben.

Dieser unter dem Begriff «Translationale IT» zusammengefasste Service bildet die Basis für eine effiziente Nutzung bestehender Daten und gewährleistet den sicheren Datenaustausch. Forschungskollaborationen auch über Spitäler und Forschungsinstitutionen hinweg werden so erst denkbar.

Translationale Forschung braucht institutionelle Infrastrukturen, auf die von allen Departementen her zugegriffen werden kann.

Ähnlich soll in Zukunft am USB eine zentrale Infrastruktur für das Biobanking geschaffen werden, also für die sichere und effiziente Einlagerung und Herausgabe von Humanproben aus der Grundlagenforschung, der klinischen Routine und der klinischen Forschung. Dafür braucht es das Zusammenspiel von Medizinischer Fakultät und seiner Departemente mit dem USB und den dort angesiedelten Forschungsgruppen.

RC2NB: Multiple Sklerose translational betrachtet

Das Research Center for Clinical Neuroimmunology and Neuroscience (RC2NB) ist ein Vorreiter in vielerlei Hinsicht. Es bündelt die Expertisen verschiedener Forschungsgruppen zu einem translationalen Forschungscluster und konzentriert seine Forschungsanstrengungen auf ein sehr komplexes Krankheitsbild, die Multiple Sklerose (MS). Mehrere Forschungsgruppen sind am RC2NB in verschiedenen «Workstreams» vereint – alle mit einem gemeinsamen Ziel. Nämlich das Leben von Menschen mit MS und neuroimmunologischen Erkrankungen zu verbessern, indem der Krankheitsprozess umfassend charakterisiert und bessere, personalisierte Behandlungen ermöglicht werden sollen. Dabei arbeitet das RC2NB eng mit verschiedenen Departementen (DKF, DBM), Abteilungen (USB-IT, SciCore) und weiteren Partnern (D-BSSE, Indivi Ltd.) zusammen.

Wissenschaftlich werden hier verschiedene Forschungsbereiche zusammengeführt. Von der Grundlagenforschung, die zu einem tieferen Verständnis der Rolle des Immunsystems bei entzündlichen Erkrankungen führen und die Basis für die Entwicklung neuer Therapien und Behandlungsansätze bilden soll, bis in den klinischen Bereich, wo die Erforschung und Weiterentwicklung diagnostischer Möglichkeiten im Vordergrund steht. Um das Ziel personalisierter Therapieoptionen zu erreichen, werden zum einen digitale Biomarker entwickelt und validiert, die mit Hilfe von Smartphone-Applikationen und Wearables erfasst werden. Zum anderen ist die Identifizierung und Validierung von Biomarkern in Blut und Liquor ein weiterer wichtiger Baustein. Im RC2NB wird auch an KI-basierten Analysen für bildgebende Biomarker geforscht. Neben der aktuellen Diagnose soll auch eine Prognose und Abschätzung des Therapieansprechens ermöglicht werden, um die richtige Therapieoption auswählen zu können. Schliesslich werden die Ergebnisse in realen klinischen Settings überprüft, um den Weg in die klinische Routine zu ebnen.

Das RC2NB ist somit ein Paradebeispiel für Forschung, die departementsübergreifende Infrastrukturen wie oben beschrieben braucht, um eine echte Translation von der Grundlagenforschung über die vielen Facetten der klinischen Forschung in die klinische Praxis zu ermöglichen.

Juni 2024

© Departement Klinische Forschung, Universität Basel c/o Universitätsspital Basel, Juni 2024