LSD

Neurokognitive
Wirkmechanismen von LSD

Die LSD-Perceptual-Choice-Studie: Einfluss von LSD auf Feedforward- und Feedback-Prozesse in der visuellen Informationsverarbeitung

 

Hintergrund

Die Einnahme klassischer Psychedelika wie LSD (Lysergsäurediethylamid) führt zu eindrucksvollen Veränderungen der Sinneswahrnehmung und des Bewusstseinserlebens bis hin zur vollständigen Auflösung der Ich-Umwelt-Grenzen. Diese psychotropen Wirkungen, die über einen bestimmten Typ von Serotoninrezeptoren (5-HT2A) vermittelt werden, machen LSD zu einem interessanten pharmakologischen Modell für die Erforschung psychotischer Wahrnehmungsveränderungen. Darüber hinaus wurden Psychedelika wie LSD in den letzten Jahren zunehmend für die Behandlung psychiatrischer Erkrankungen, insbesondere depressiver Störungen, diskutiert. Erste klinische Studien zeigen tatsächlich vielversprechende Ergebnisse. Ein Zusammenhang zwischen den genannten psychotropen Effekten von Psychedelika und ihrer antidepressiven Wirkung liegt nahe. Es bestehen jedoch nach wie vor grosse Lücken im Verständnis der zugrundeliegenden Wirkmechanismen.

Fragestellung

Tierexperimentelle Studien weisen vor allem auf eine Erhöhung der Exzitabilität von Nervenzellen in tiefen Schichten der Grosshirnrinde unter LSD hin, was eine veränderte Balance zwischen Feedforward- und Feedback-Prozessen in der sensorischen Informationsverarbeitung zur Folge haben könnte. In welcher Weise jedoch diese Balance verändert ist und wie dadurch die genannten Wahrnehmungsveränderungen zustande kommen, ist aktuell Gegenstand intensiver Debatten. Unser aktuelles Forschungsprojekt hat ein verbessertes Verständnis der neurokognitiven Mechanismen der Psychedelikawirkung zum Ziel. Insbesondere wollen wir die Frage beantworten, wie LSD die Balance zwischen Feedforward- und Feedback-Prozessen im visuellen Kortex beeinflusst.

Studienmethodik

In einer randomisierten placebokontrollierten Studie untersuchen wir die Wirkung niedriger Dosen von LSD auf Wahrnehmungsprozesse und ihre neuronalen Grundlagen im visuellen Kortex. Gesunde Probandinnen und Probanden erhalten in einem Crossover-Design 10 oder 20 µg LSD oder Placebo, worauf sie verschiedene visuelle Wahrnehmungsaufgaben durchführen, während ihre Hirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) aufgezeichnet wird. Die Analyse der Verhaltens- und EEG-Daten basiert auf mathematischen Modellen, die eine Differenzierung von Feedforward- und Feedback-Prozessen erlauben. Die Hypothese ist, dass LSD die Wirkung von Feedback-Signalen gegenüber Feedforward-Signalen abschwächt.

Bedeutung der Studie

Die Erforschung der neurokognitiven Wirkmechanismen von LSD ist in zweierlei Hinsicht wichtig. Zum einen erwarten wir neue Erkenntnisse über die Rolle des serotonergen Systems bei Psychosen. Während aktuelle pathophysiologische Modelle psychotischer Erkrankungen auf dopaminerge und glutamaterge Mechanismen fokussieren, ist über serotonerge Psychosemechanismen relativ wenig bekannt. Dies ist umso erstaunlicher, als viele antipsychotisch wirksame Substanzen unter anderem Serotoninrezeptoren blockieren. Ein besseres Verständnis serotonerger Psychosemechanismen und deren pharmakologischer Modulation könnte neue Wege in der pharmakologischen Psychosebehandlung eröffnen. Zum anderen erhoffen wir uns wichtige Hinweise auf die antidepressiven Wirkmechanismen von LSD. Dies ist vor allem angesichts vieler offener Fragen relevant, welche die individuellen und kontextabhängigen Unterschiede in der antidepressiven Wirksamkeit dieser Substanz adressieren. Ein verbessertes Verständnis der neurokognitiven Wirkmechanismen ist Voraussetzung für die Beantwortung dieser wichtigen Fragen.

Mitwirkende

Prof. Dr. Tobias Donner (Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf); Lucca Jaeckel (PhD-Student, USB); Prof. Dr. Matthias Liechti (USB)

DKF-Services

Data Management, Monitoring, Regulatorik

Juni 2024

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Studienleiter
Prof. Dr. med.
Philipp Sterzer

Spezialisierung

Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Psychosefrüherkennung

Forschungsgebiet
Kognitive und computationale Neurowissenschaften, visuelle Wahrnehmung, Psychoseforschung

Klinische Tätigkeit
Seit 2022: Chefarzt, Zentrum für Diagnostik und Krisenintervention, Universitäre Psychiatrische
Kliniken Basel (UPK)
2020–2022: Stellvertretender Klinikdirektor, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charité Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin
2011–2020: Oberarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charité Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin
2006–2011: Assistenzarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charité Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin
1998–2004: Assistenzarzt, Klinik für Neurologie, Goethe Universität, Frankfurt am Main

Wissenschaftliche Tätigkeit
Seit 2022: Professur für Translationale Psychiatrie,
Universität Basel
2011–2022: Professur für Psychiatrie mit Schwerpunkt computationale Neurowissenschaften, Charité – Universitätsmedizin Berlin
2008–2014: Emmy-Noether-Nachwuchsgruppenleiter, Charité – Universitätsmedizin Berlin
2004–2006: Postdoktorand, Wellcome Trust Centre for Neuroimaging, University College London

© Departement Klinische Forschung, Universität Basel c/o Universitätsspital Basel, Juni 2024