Patient and Public Involvement: Das neue Normal in der klinischen Forschung?
Dass Patientinnen und Patienten strukturiert nach ihren Einschätzungen zu klinischen Forschungsprojekten gefragt werden und diese sogar mitgestalten, ist noch lange nicht selbstverständlich. Für viele Forschende, aber auch für die Öffentlichkeit ist das Thema Patient and Public Involvement (PPI) noch Neuland. PPI-Aktivitäten sollen sicherstellen, dass die Bedürfnisse derer, für die geforscht wird, angemessen berücksichtigt werden und Forschungsfragen wirklich patientenrelevant sind. Paradigmenwechsel bedeutet, dass PPI in Forschungsprojekten so selbstverständlich wird wie der Einbezug eines Statistikers oder einer Datenmanagerin, und so zum neuen Normal wird.
PPI auf strategischer Ebene
Das Umdenken spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des DKF Scientific Advisory Board (SAB) ab dem kommenden Jahr wider. Mit Penelope Timpert wird erstmals eine Patientenvertreterin Teil des Gremiums sein und in dieser Rolle die Sicht und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten auf strategischer Ebene einbringen. Konkret gehört auch die Evaluierung von Forschungsgruppen zu den Aufgaben des SAB, sodass auch an dieser Stelle Impulse von Patientenseite kommen werden. Geplant ist auch die Einrichtung eines ständigen PPI-Panels am DKF. Dieses mehrköpfige Gremium, bestehend aus mehreren Patientenvertretenden, wird bei Fragen und Aktivitäten rund um das Thema PPI in der klinischen Forschung mitwirken und Forschungsgruppen, die Unterstützung im Bereich PPI suchen, beraten. Das DKF ist mit vielen weiteren kleinen und grossen Schritten dabei, den Weg eines Paradigmenwechsels in der klinischen Forschung zu gehen, hin in eine Zukunft, in der es Standard geworden ist, die Sichtweise der Betroffenen dort zu berücksichtigen, wo es möglich ist und einen Mehrwert bringt.
Integration in klinische Studien
Ein gewisser Handlungsdruck ist durch neue Anforderungen von Förderinstitutionen wie dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) entstanden. Für die Antragstellung beim Förderprogramm «Investigator Initiated Clinical Trials (IICT)» ist ein Konzept für PPI-Aktivitäten im Verlauf der geplanten Studien mit einzureichen. Ist dieses überzeugend, gibt es auch extra Gelder. Wie ernst das Thema genommen wird, zeigt auch die Tatsache, dass vier der neunzehn Mitglieder des IICT-Evaluationspanels mittlerweile Patientenvertreterinnen und -vertreter mit vollem Stimmrecht sind.
Anzahl an Beratungen im Bereich PPI für Forschende seit dem Start des Angebots 2022
In den vergangenen zwei Jahren sind sechs IICT-Grants nach Basel gegangen. Bei den meisten wurde die PPI-Strategie gemeinsam mit der PPI-Expertin Sandra Kohlmaier, PhD vom DKF erarbeitet. Das Beratungsangebot zum Thema PPI hat sich etabliert und wird von mehr und mehr Forschenden genutzt.
Penelope Timpert-Argust
FRSC, EUPATI Fellow, als Patientenvertreterin ab 2025 Mitglied des DKF Scientific Advisory Boards
Neben der Erstellung von PPI-Konzepten gibt es auch Unterstützung für Forschungsgruppen bei der Durchführung der geplanten Aktivitäten. So werden bei Bedarf Kontakte zu Patientenorganisationen und Patientenvertretern hergestellt und Treffen organisiert. Auch die Evaluation der durchgeführten Aktivitäten nach Abschluss der Studie wird begleitet.
Diverse Schulungsangebote
Für PPI sind nicht nur motivierte Forschende, sondern auch geeignete Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter, die an einer aktiven Mitwirkung an klinischer Forschung interessiert sind, von entscheidender Bedeutung. Die Anforderungen sind je nach Aufgabe sehr unterschiedlich. So kann es beispielsweise für die Prüfung der Verständlichkeit von Studiendokumenten wie der Patienteninformation unter Umständen sogar hilfreich sein, wenn kein besonderes Fachwissen vorhanden ist.
Sandra Kohlmaier, PhD
Projektleiterin PPI, DKF
Für die meisten Aufgaben sind jedoch bestimmte Fachkenntnisse erforderlich. Aus diesem Grund wurde am DKF in Zusammenarbeit mit der nationalen Plattform der European Patients Academy on Therapeutic Innovation (EUPATI CH) der erste Schweizer Ausbildungskurs zur/zum EUPATI CH Patientenexpertin/ Patientenexperten lanciert. Dieser Kurs unter der Leitung von Daniel Hammes, PhD vom DKF vermittelt den Teilnehmenden spezifisches Wissen über Forschungsabläufe und Partizipationsmöglichkeiten. Über neun Monate verteilt werden sechs Module, die sich aus selbstständig zu absolvierenden Online-Lernphasen und Präsenztagen zusammensetzen, angeboten. Derzeit findet die zweite Durchführung am Universitätsspital Basel statt. Ausserdem wurden die Kursmaterialien an das Universitätsspital Zürich weitergegeben, wo unter der Leitung der CTC Zürich ein paralleler Kurs stattfinden wird.
Im vergangenen Juni fand am DKF zum ersten Mal ein Workshop statt, an dem Forschende und Laien gemeinsam als Teilnehmende das Thema PPI kennenlernten. Unter dem Titel «Gemeinsam für eine Forschung, die uns weiterbringt» erfuhren sie, was PPI ist und wie entsprechende Aktivitäten in der klinischen Forschung praktisch umgesetzt werden können. Der Workshop wurde inhaltlich gemeinsam mit einem Studienarzt und einer Patientenvertreterin konzipiert und durchgeführt. Um noch mehr Interessierten einen Einstieg in das Thema zu ermöglichen, wurde kürzlich ein weiteres Angebot platziert. Die Online-Kursmodule des oben erwähnten EUPATI CH-Kurses wurden so angepasst, dass sie auch komplett im Selbststudium, also ohne die entsprechenden Präsenztage absolviert werden können.
Damit wird interessierten Personen ein niederschwelliger Zugang zu PPI-Wissen ermöglicht. Zudem wurde der Online-Kurs ins Französische und Italienische übersetzt, um eine schweizweite Verbreitung zu ermöglichen. Forschende können ihren Patientinnen und Patienten diese Kurse empfehlen, um sie auf Aktivitäten in ihren eigenen Forschungsprojekten vorzubereiten. Zudem stellt das DKF anderen Kursanbietern in der Schweiz, die an einer Integration der Online-Kurse in ihre eigenen Angebote interessiert sind, diese gerne zur Verfügung.
Besonders erfreulich an diesem Projekt ist die erfolgreiche interdisziplinäre und interinstitutionelle Kollaboration, der diese Innovation zu verdanken ist. Es hat Vorzeigecharakter, wenn zwei universitäre Departemente – DBE und DKF – gemeinsam mit drei klinischen Abteilungen – Neuroradiologie, Neurologie und Bereich D&ICT – die klinische Praxis auf höchstem technischem Niveau voranbringen. Rein akademisch und durch Stiftungsgelder finanziert.
Für Patientinnen und Patienten
– Patientenbeteiligung in der medizinischen Forschung
– Gemeinsam für Forschung, die uns weiterbringt
Workshop für Patientinnen und Patienten und Forschende
– Sich für Forschung interessieren – warum und wie?
Informationen für Patientinnen und Patienten
Für Forschende
– Gemeinsam für Forschung, die uns weiterbringt
Workshop für Patienten und Forschende
– Patient and Public Involvement – warum und wie?
Informationen für Forschende
– Kostenlose PPI-Beratung
November 2024
© Departement Klinische Forschung, Universität Basel c/o Universitätsspital Basel, November 2024