Weed Care – Ein weltweit einzigartiges Projekt

Die Schweiz als Vorreiter in der Forschung zur Regulierung des Cannabiskonsums.

Die Weed Care-Studie kann zweifellos als Pionierprojekt bezeichnet werden. Es ist weltweit das erste Mal, dass in einer randomisierten kontrollierten Studie die Auswirkungen eines regulierten legalen Verkaufs und Konsums von Cannabis mit  denjenigen des illegalen Erwerbs über den Schwarzmarkt verglichen werden. Ermöglicht wird dies durch eine Änderung des Schweizer Betäubungsmittelgesetzes, das 2021 in Kraft getreten ist. Die Studie wird vom Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel, den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG) und der Universität Basel durchgeführt, und zwar in Basel- Stadt. Die Studienvisiten finden im Ambulanten Studienzentrum (ASZ) am Departement Klinische Forschung (DKF) mit Unterstützung des DKF-Scientific Services Teams «On-Site Management» statt.

Wissenschaft als Grundlage für politische Entscheidungen

Seit Januar 2023 kann im Rahmen der Weed Care-Studie Cannabis für den Freizeitkonsum legal bezogen werden. Die Abgabe des Cannabis erfolgt in ausgewählten Basler Apotheken. Die Produkte sind kontrolliert mit deklariertem Wirkstoffgehalt und ohne unbekannte und möglicherweise gesundheitsschädliche Zusatzstoffe. Zusätzlich werden die Studienteilnehmenden durch geschultes Fachpersonal in der Apotheke zum Konsum beraten – Angebote, die es auf dem Schwarzmarkt nicht gibt. Aus gesundheitlicher Sicht sprechen diese Gründe für eine Legalisierung und gegen ein Verbot. Allerdings sind die Argumente noch nicht verlässlich erforscht. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen einer Cannabisregulierung beziehen sich vor allem auf Vergleiche zwischen Staaten mit und ohne Cannabisregulierung oder auf Vorher- Nachher-Vergleiche. Randomisierte kontrollierte Interventionsstudien liegen noch nicht vor.

Prof. Marc Walter (Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der PDAG) ist Projektleiter der Studie und freut sich, dass die Schweiz einen evidenzbasierten Weg eingeschlagen hat. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, den Verkauf und Konsum direkt zu legalisieren, wie dies beispielsweise Kanada, Uruguay und einige US-Bundesstaaten getan haben. Die Auswirkungen einer sofortigen Freigabe wären jedoch im Vergleich zu einer randomisierten kontrollierten Interventionsstudie wie Weed Care nicht zuverlässig zu erfassen. Die Ergebnisse, die in etwa Seit Anfang des Jahres für Studienteilnehmende in ausgewählten Apotheken erhältlich: verschiedene Sorten Cannabisprodukte zweieinhalb Jahren erwartet werden, werden sicherlich nicht nur die politischen Entscheidungsträger in der Schweiz interessieren, sondern auch in anderen Ländern beachtet werden.

WEED CARE -Studie

Sponsor
Gesundheitsdepartement Basel-Stadt

Projektleitung
Prof. Marc Walter, 
Psychiatrische Dienste Aargau (PDAG)

Start des Cannabisverkaufs
Ende Januar 2023

Studienteilnehmende
374 Personen mit regelmässigem Cannabiskonsum

Studiendesign
Randomisierte, kontrollierte, unverblindete Interventionsstudie mit nachfolgender nichtkontrollierter
Beobachtungsstudie

Randomisierung
Gruppe 1 kann unmittelbar Cannabis in ausgewählten Apotheken kaufen.
Gruppe 2 kann dies mit sechs Monaten Verzögerung.

Studienendpunkte
Konsumverhalten, Gesundheit, Zufriedenheit mit der Regulierung

Studiendauer
Insgesamt 2,5 Jahre

DKF-Scientific Services
On Site Management, Regulatorik, Data Management, Data Analysis/Statistik

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«Es ist ohne Frage die bisher grösste und zeitintensivste Studie, die am ASZ durchgeführt wurde. Gerade zu Beginn war der Aufwand gross, weil es viel Interesse an einer Teilnahme gab.»

Silke Purschke, Leitende Study Nurse am DKF

Die bisher grösste Studie am ASZ

Insgesamt nehmen 374 Personen an der Studie teil, die über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren begleitet werden. Zu Beginn mussten alle Teilnehmenden das ASZ aufsuchen, um an verschiedenen Tests teilzunehmen und eine Reihe von Fragebögen auszufüllen, die unter anderem Konsumverhalten und Gesundheitszustand erfassten. Nicht nur die eigentlichen Studienvisiten bedeuten viel Aufwand für das Studienteam. Über 800 Personen haben über die Website ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet. Diese mussten alle telefonisch kontaktiert werden, um bestimmte Ein- und Ausschlusskriterien vorab zu klären und Termine zu vereinbaren. Silke Pursche, Leitende Study Nurse am DKF und ASZ, steht dabei in ständigem Austausch mit den Studienteilnehmenden, mit Prof. Marc Walter und seinem Team, mit der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements,aber auch mit den teilnehmenden Apotheken.

Die erfahrenen Mitarbeitenden des On-Site-Management-Teams betreuen die Teilnehmenden während der Studie und führen die Untersuchungen vor Ort durch. Eigens für das Projekt wurde auch ein Raum mit entsprechenden Geräten eingerichtet, in dem der persönliche Studienausweis rechtssicher erstellt werden kann. Dieser ist für alle Teilnehmenden zur Vorlage in der Apotheke und bei allfälligen Polizeikontrollen notwendig. Die Durchführung einer Studie im ASZ hat viele Vorteile. Im klinischen Routinebetrieb ist es oft schwierig, Studienteilnehmenden und Patientinnen und Patienten gleichermassen gerecht zu werden. Nicht nur, weil die Räumlichkeiten ohnehin ausgelastet sind, sondern auch, weil sich das Personal zeitgleich auf beides, klinische Routine und Studienabläufe, fokussieren muss. Das ASZ ist deshalb sehr beliebt, weil Forschungsgruppen hier Studien abseits der Routine durchführen können. Darüber hinaus kann Studienpersonal des DKF nach individuellem Bedarf für die Durchführung von Studien beauftragt werden. Denn das Problem vieler Forschungsgruppen ist auch, dass oft sehr kurzfristig und für kurze und intensive Zeiträume erfahrenes Personal benötigt wird.

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«Politische Entscheide sollten, wenn immer möglich, auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage basieren. Dementsprechend wichtig sind eine reibungslose Durchführung der Studie sowie eine saubere Datenerhebung.»

Prof. Dr. med. Marc Walter, PDAG und Projekteiter der Weed Care-Studie

Flexibilität ist wichtig

Alles war für den ursprünglichen Studienstart im September 2022 vorbereitet, doch Probleme mit der Charge des Herstellers verzögerten den Studienbeginn. So wurden Rückstände von Pestiziden in dem in der Schweiz produzierten Studien-Cannabis gefunden, was nicht im Einklang mit den Bio-Richtlinien war. Es blieb nichts anderes übrig, als den Start der Studie zu verschieben. Keine einfache Situation, denn Räume, Zeiten und Personal waren fest eingeplant. Aber auch dies wurde gemeistert und die Studie konnte Ende Januar starten. Während des Einschlusses der Teilnehmenden war das ASZ dann für drei Monate fast vollständig durch die Weed Care-Studie ausgelastet. Neben dem On Site Management-Team des ASZ waren jederzeit eine bzw. einer von vier zuständigen Studienärztinnen und -ärzten sowie Studierende aus dem Team von Prof. Marc Walter für die Einschlussvisiten vor Ort.

Andere Städte lernen von den Erfahrungen aus Basel

Die Studie in Basel läuft noch bis Mitte 2025. Um die Aussagen verallgemeinern zu können, ist es sinnvoll, die Fragestellung auch in anderen Kantonen zu untersuchen. Demnächst soll die Weed Care-Studie daher auch in Zürich, Genf, Lausanne und Bern durchgeführt werden. Die dort zuständigen Studienteams stehen auch bereits in Kontakt mit dem Studienteam in Basel. Denn auch wenn das Studiendesign und der allgemeine Studienablauf feststehen, sind es oft Details in der täglichen Arbeit und Organisation sowie das Engagement einzelner Personen, die über Erfolg oder Misserfolg einer klinischen Studie entscheiden.

Juni 2023

© Departement Klinische Forschung, Universität Basel c/o Universitätsspital Basel, Juni 2023